Klausurtagung zur Weiterentwicklung des Profils – „Careleaver“ werden zu Familienmitgliedern

Am Ufer des Starnberger Sees in den Räumen von Kloster Bernried nutzte eine Arbeitsgruppe von Menschen, die selbst in Einrichtungen gelebt haben, den sonnigen Sonntag, um nach dem ersten halben Jahr seit Eröffnung ihrer ersten Einrichtung in Gütersloh Zwischenbilanz zu ziehen. Dabei stand das Profil von Lebensarchitektur im Mittelpunkt der Klausurtagung.

Im Rahmen eines „Worldcafes“ moderierten Gastgeber die Gespräche ihrer Tischgäste. Auf Flipchartseiten wurden die Vorstellungen von unseren Kinder- und Jugendwohngemeinschaften in bunten Farben festgehalten. Nach 15 Minuten gab eine Lebensarchitekturglocke das Zeichen an die Tischgäste, ihren Gastgeber zu wechseln und an einem neuen Tisch mit neuen Gästen neue Gedanken aufzunehmen und weiterzuentwickeln.

Apropos Tischglocke: Mit dieser Klausurtagung wurde eine Lebensarchitektur-Tischglocke eingeführt, die neben dem eingravierten Träger-Logo den Slogan trägt: „Wir schlagen neue Töne an“.

Das Worldcafe am Vormittag verlief wie im Flug und wurde erst durch ein gemeinsames Mittagessen im Kloster Bernried unterbrochen.

Bereits um 13 Uhr folgte die Auswertung der Worldcafes durch die Gastgeber an den Tischen, die die Ergebnisse dem Plenum zur Diskussion vorstellten. Konzeptionelle Überlegungen, Förderung der pädagogischen Fachkräfte, Vertiefung und Nachhaltigkeit eines spezifischen Lebensarchitekturprofils und vieles mehr bildeten die diskutierten Themenschwerpunkte, die zu interessanten Folgerungen führten.

Dem etablierten und verstaubten Kinder- und Jugendhilfesystem wurde eine Arroganz konstatiert, in dem Kinder hemmungslos zu „Fällen“ werden, ein Zuhause zum „stationären“ Wohnen, gleichsam Kranker degradiert wird, oder eine sogenannte professionelle Pädagogik, die verbreitet in einer Sprache von IndustriearbeiterInnen ihren Dienst am Kind leistet.

Ist im Kontext einer tradierten Kinder- und Jugendhilfe, das Kind, der Jugendliche, bloß ein Arbeitssubjekt? Entscheiden sich pädagogische Fachkräfte aus Interesse am Menschen für ihre Tätigkeit, oder geht es um bloßes Geldverdienen? Was leisten heutige Ausbildungen um Wert und Leidenschaft für die professionelle Erziehung der Kinder und Jugendlichen zu wecken?

Als ein Ergebnis aus dem Worldcafe wird vorgeschlagen, dass Lebensarchitektur ein Monitoring schafft, das Fachkräfte zur Multiplikation einer am Kind/Jugendlichen ausgerichteten pädagogischen Haltung i.S.v. Lebensarchitektur befähigt und u.A. auch befähigt, industrielle Arbeitshaltungen gegenüber Betreuten zu filtern.

Kein Zuhause heißt „Gruppe“, keine Besprechung über Kinder heißt „Fallbesprechung“ und Erziehende gehen nicht in die Frühschicht, wenn sie mit ihren Kindern einfach frühstücken. Endlich Normalität leben, statt verbreitete Pathologisierung und Defizitorientierung innerhalb eines ganzen Berufsstandes.

Die Klausurtagung verabschiedete sich auch vom Begriff „Ehemalige“ (das nach Meinung der Klausurteilnehmer eher nach Knastabgänger klingt) oder von „Careleaver“, das schon wieder dem alten Etikettenmuster folgt. Gefolgt wurde dabei dem Vorschlag eines Vereinsmitgliedes, dass wir künftig Menschen, die in Einrichtungen gelebt haben, schlicht als „Familienmitglieder“ bezeichnen. Familienmitglieder sind damit zukünftig die Richtungsgeber von Lebensarchitektur.

Am Ende der Klausurtagung waren sich alle TeilnehmerInnen einig, dass ein bereichernder Tag zu Ende ging. In der Schlussrunde war es ein besonderes Erlebnis, noch zu hören, für welche Aufgabe sich jeder der Teilnehmer für Lebensarchitektur in den nächsten Monaten engagieren wird.

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